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  1. Einblicke in das CJD
  2. Parlamentarisches Frühstück

Parlamentarisches Frühstück rund um migrationspolitische Gesetzgebung

Bericht von Judith Jünger,  Referentin der BAG EJSA  für Jugendmigrationsarbeit:

Eine lebensgroße Figur aus Sperrholz, beschriftet mit Forderungen von jungen Menschen zu Chancengleichheit und Gleichberechtigung zum Motto „Zukunft ist immer!“ begrüßte die 17 Gäste aus dem parlamentarischen Raum, die der Einladung der BAG EJSA zum parlamentarischen Frühstück zu den Auswirkungen der migrationspolitischen Gesetzgebung am 16.10.2024 im Paul-Löbe-Haus gefolgt waren. Christine Lohn, Geschäftsführerin der BAG EJSA, erläuterte den Kontext der Regionalveranstaltungen zum 75jährigen Jubiläum der BAG EJSA, in dem diese Figuren gestaltet wurden. Die Partizipation junger Menschen in verschiedenen Formaten der Politikberatung ist ein Kernanliegen der BAG EJSA. Beim Festakt zum 75-jährigen Jubiläum in Berlin werden neben den Sperrholzfiguren auch junge Menschen selbst dabei sein.

Anhand von 18 Fallbeispielen wurde beim parlamentarischen Frühstück die konkrete Umsetzung des Chancen-Aufenthaltsgesetzes sowie der Einbürgerungsrechtsreform veranschaulicht. Jeder Gast konnte sich kurz auf ein Fallbeispiel einlassen, das neben dem Frühstücksgedeck auslag.

Die drei Schirmpat*innen des Frühstücks, MdB Gülistan Yüksel, Hakan Demir und Helge Lindh, betonten in ihrer Begrüßung die Bedeutung des Austauschs mit der Praxis zu den Gesetzen, die die Ampelkoalition auf den Weg gebracht hat. „Gesetze funktionieren nur, wenn die Kette der Umsetzung funktioniert. Dazu brauchen wir von Ihnen Geschichten!“

Judith Jünger, Referentin der BAG EJSA für Jugendmigrationsarbeit, benannte die Hürden bei den Erteilungsvoraussetzungen, die in den Fallbeispielen deutlich wurden. Beim Chancen-Aufenthaltsgesetz sind dies die relativ kurze Frist von 18 Monaten, der Erwerb ausreichender Sprachkenntnisse bei unzureichendem Sprachkursangebot, die Schwierigkeiten der Identitätsklärung bei einigen Herkunftsstaaten, die Sicherung des Lebensunterhalts in prekären Beschäftigungsverhältnissen oder während der Ausbildung sowie die geschlechtsspezifischen Hürden wie Kinderbetreuung und Care-Aufgaben. Dazu kommen die psychosozialen Belastungen durch lange Duldungsketten und fluchtbedingter Traumatisierung.

Die Einbürgerungsrechtsreform führte bei den jungen Menschen, die in den Jugendmigrationsdiensten bundesweit beraten werden, zu einer großen Nachfrage. Die Praxisbeispiele zeigen allerdings, dass insbesondere die jungen Menschen, die ihren Lebensunterhalt auf Grund von Studium oder Ausbildung noch nicht selbst sichern können, von diesem Privileg ausgeschlossen sind. Ihre positive Selbstwirksamkeitserwartung, die sie nach vielen erfolgreichen Schritten im Schul- und Ausbildungssystem mit ihren Altersgenossen teilen, wird nicht durch die Einbürgerung und dem damit verbundenen Wahlrecht für die nächste Bundestagswahl eingelöst. Zudem ist der Weg bis zur Einbürgerung durch viele Hürden gekennzeichnet. Überlastete Behörden, schwierige Identitätsnachweise sowie der fortlaufende Einkommensnachweis sorgen für viel Unsicherheit bei den Ratsuchenden. Die Ermessensspielräume werden von den zuständigen Behörden sehr unterschiedlich gehandhabt, was die Rechtsgleichheit de facto aushebelt, wie ein MdB betonte. Das politische Klima nach den Kommunal- und Landtagswahlen wird eine positive Ermessensausübung in Zukunft noch unwahrscheinlicher machen.

Einen eindrücklichen Einblick in die Praxis vor Ort gaben die beiden Expertinnen Christiane Goldschmidt, Leiterin des JMD Barnim-Oberhavel, und Rebecca Lehmann, Fachbereichsleitung Berufliche Bildung und Rehabilitation beim CJD Berlin-Brandenburg. Beide betonten die Bedeutung jugendspezifischer Begleitung inklusive aufenthaltsrechtlicher Expertise in den Jugendmigrationsdiensten, die Netzwerkarbeit mit Behörden und Arbeitgebern sowie die Relevanz von Jugendintegrationskursen, die lebensweltorientiert zu besseren Abschlussquoten führen als Sprachkurse für eine heterogene Zielgruppe. Dass ausgerechnet diese Kurse komplett gestrichen werden sollen, sorgt für Empörung.

Prekäre Arbeitsverhältnisse ermöglichen zwar zunächst den Lebensunterhalt, verbauen jedoch echte Teilhabechancen am Arbeitsmarkt. Die Praxisvertreterinnen der Jugendsozialarbeit unterstrichen deshalb den Wert von beruflicher Qualifizierung für die langfristige Integrationsperspektive von jungen Menschen. Die Philosophie des Job-Turbos sei für junge Menschen deshalb nicht geeignet.

Im anschließenden Austausch mit den Abgeordneten und ihren Referentinnen gab es viele Punkte, zu denen Konsens herrscht:

  • Jugendspezifische Sprachkurse (Jugendintegrationskurse) und Beratungsstellen ,wie die Jugendmigrationsdienste, benötigen die notwendigen Mittel im Bundeshaushalt.
  • Die Lebensunterhaltssicherung als Voraussetzung für die Einbürgerung, die vor allem junge Menschen und Menschen mit Care-Aufgaben ausschließt und ihnen politische Teilhabe verwehrt, bleibt ein Wermutstropfen im ausgehandelten Kompromiss innerhalb der Ampelkoalition.
  • Statt ständig neue Gesetze auf den Weg zu bringen, ist es sinnvoller, die bisherigen Gesetze sowie die Abläufe der Umsetzung  zu verbessern.
  • Die Behörden müssen technisch und personell so ausgestattet werden, dass sie Anträge zeitnah bearbeiten können.
  • Ermessensspielräume müssen  konsequenter im Sinne der jungen Menschen umgesetzt werden.
  • Neue Allianzen von Wirtschaft, Behörden und sozialer Infrastruktur sind notwendig für einen „Shift in der Kommunikation, um die Debatte zu gewinnen“.
  • Wir brauchen  einen öffentlichen Diskurs, der von mehr Respekt geprägt ist und die zugewanderten jungen Menschen als gleichberechtigte Bürger*innen und auch als Leistungsträger*innen von morgen wahrnimmt.

Die drei Schirmpat*innen dankten der BAG EJSA zum Abschluss für den praxisnahen Austausch und versprachen mit Blick auf die weiteren Gesetzesvorhaben sowie auf die kommenden Parteiprogramme im Gespräch zu bleiben.

Die mitgebrachte Figur schmückte am Ende nicht nur das Abschlussfoto mit MdB Yüksel, sondern warf noch eine letzte integrationsrelevante Frage auf: „Warum ist der Führerschein so teuer?“ So direkt können nur junge Menschen fragen.

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